Palmatius, der erste Bürgermeister Triers, war von bangen Ahnungen erfüllt. Er kannte den Christenhass und den Blutdurst des kaiserlichen Statthalters und befürchtete, dass ihm das gleiche Schicksal ereilen wird wie den 6000 Mann der Thebäischen Legion, die er vor kurzem noch bei ihrem Einzug in die Stadt Trier so freudig als die ersten christlichen Soldaten der Kaiserstadt willkommen geheißen hatte.
Seine Ahnung hatte ihn nicht getäuscht, kaum hatte der Tag begonnen, traten die Schergen des Kaisers schon bei ihm ein, ihn schleiften ihn vor des Präfekten Richterstuhls.
Palmatius nahm von seiner Tochter rührend Abschied und empfahl sie des Himmels Schutz. Die aber war sehr gefasst, tröstete den Vater und erklärte, mit ihm für Christus sterben zu wollen. Sie ließ sich auch durch die Häscher nicht abhalten, ihn vor den Richter zu begleiten. Rictius Varus erwartete sein neues Opfer schon. Vor ihm stand auf einer Säule das festlich geschmückte Bildnis des Jupiters, der in seiner Hand die Donnerkeile drohend schwang. Vor der Säule war ein Altar aufgerichtet, auf dem ein Götzenpriester Weihrauch zu Ehren Jupiters auf einem golden Herde verbrannte. Drei Bürgermeister Triers harrten schon ihres Urteilspruches an den Stufen des Richterstuhls. Kaum war Palmatius ihnen beigestellt, als Rictius Varus sie auffordere, ungesäumt den Göttern zu opfern, andernfalls sie sich dem Kaiser widersetzten und des Todes gewärtig sein müssten. Die vier aber weigerten sich einmütig und in gleicher Gesinnung, dem Befehle des Tyrannen zu gehorchen. Für Christus zu sterben, dünkte ihnen ein höherer Preis als des Kaisers Gunst. So viel der Präfekt auch drohte, sie blieben standhaft bei ihrer Weigerung. Da sprach er das Bluturteil über sie und winkte den Liktoren es sofort zu vollziehen.
Im Umkreis des Thrones blinkten vier weiße Steine, auf die sie die mutigen Bekenner niederzwangen. Vier Nacken wurden entblößt, vier scharfe Beile blinkten im Sonnenstrahl, und vier edle Häupter rollten gleichzeitig in den sich vor Blut rot färbenden Sand. Die Tochter des Palmatius stand zunächst wie erstarrt, als sie das Haupt ihres Vaters fallen sah. Dann aber kam Leben in sie. Festen Schrittes trat sie vor den grausamen Präfekten und sprach in prophetischem Geiste: Deine Götter sind Eitelkeit, Lug und Trug. Du magst ihnen jetzt noch viele Opfer bringen, nicht fern aber ist der Tag, da sie in den Staub sinken werden. Christi Kreuz aber wird auf herrlichen Tempeln über Trier thronen. Du nahmst mir den Vater, hier stehe ich, lass auch mich töten, ich sterbe gerne, gleich ihm für den, für den auch er sein Leben hingab. Dann stürzte hin zum Leichnam ihres Vaters, ihm den letzten Gruß zu entbieten. Sie kniete sich nieder und ihre Hände umfassten das edle Haupt und hoben es hoch, ihm noch einmal ins Angesicht zu schauen, das sie immer so liebevoll angeblickt hatte. Sie rief seinen Namen mit einer so zarten Stimme, sodass allen Anwesenden das Herz vor Jammer brach.
Nur der Tyrann auf dem Thron blieb ungerührt. Er winkte die Schergen herbei und befahl: „in den Kerker mit ihr, den tiefsten – den schlimmsten. Sie sehnt sich nach dem Tod. Wohlan - so soll sie zur Strafe leben in tiefer Kerkernot“.
Die rohen Henkersgehilfen zerrten sie weg von der Leiche ihres Vaters, legten ihr Fesseln an und schleppten sie in den finstersten Kerker. Sie aber folgte hocherhobenen Hauptes ihren Bedrängern. Konnte sie nicht gleich für Christus sterben, so wollte sie wenigstens mit ihm leiden.
Die vier Steine, auf denen die vier Bürgermeister Trierers ihr Leben ausgehaucht hatten, stehen noch immer auf der Wiese vor der Kirche St. Paulin. Wer sich reinen Herzens in den Nächten des Märtyrermonats Oktober der Wiese naht, kann die mutigen Christusstreiter sehen, wie sie in weißen Kleider gehüllt, sich auf den vier Steinen niederlassen, das abgeschlagenen Haupt in der Hand, alle segnen die guten Willens sind.